UL-tra-gute Drei-Länder-Tour Skandinavien

von Eric Böhnisch-Volkmann

Blick nach vorne aus dem Cockpit: tiefgrüne Wälder, unterbrochen von blauen Seen, Blick nach rechts: blaue Seen, dahinter tiefgrüne Wälder, Blick nach links: abwechselnd tiefgrüne Wälder und blaue Seen — Südschweden. Dreieinhalb Stunden dauert der leicht meditative Flug vom ersten Stop in Lübeck (EDHL) nach Stockholm-Ska-Edeby (ESSE). Die lange geplante Tour durch Schweden, Finnland und Norwegen beginnt bei besten Wetteraussichten vom Platz des LSV Hohenasperg in Pattonville (EDTQ) mit einer der drei vereinseigenen Ultraleichtmaschinen, einer Flight Design CT.

Ska-Edeby ist eine gute Alternative zu dem eher bekannten General Aviation-Platz Bromma, wenn man Stockholm besuchen will. Zwei Graspisten stehen zur Verfügung und die Landung führt zum Eingewöhnen auf die noch kommenden Anflüge schon mal spektakulär über die Inseln der Stockholmer Region. Die Maschine setzt auf der Piste auf, die indes eher einer Blumenwiese gleicht - überall blüht gelb der Löwenzahn, die Bahnmarkierungen sind kaum zu erkennen. Mit Blumen empfangen zu werden und dann einen Tag Stockholm-sightseeing - Schweden zeigt sich von seiner besten Seite.

Länder, die man noch nie mit dem Flieger besucht hat, bieten viele fliegerische Neuigkeiten. Schweden und im weiteren Verlauf auch Finnland und Norwegen haben im Gegensatz zu uns keine Info-Frequenz der Fluginformationsgebiete. Beim Ausflug aus Kontrollzonen wird man auch im nicht-kontrollierten Luftraum beispielsweise an Sweden Control gegeben, wo man sich beim Melden mit seinen vielleicht 5000 Fuß etwas deplatziert vorkommt, wenn die Ryan Air, die Turkish oder die Scandinavian in den Bereichen von Flugfläche 300 Freigaben oder Richtungsänderungen angewiesen bekommen. Alle Flüge, die die Flugsicherung in Anspruch nehmen, müssen mit Flugplan durchgeführt werden. Allerdings ist es hier ohnehin eine gute Idee, nur mit Flugplan zu fliegen. Die Gegend hier ist, freundlich ausgedrückt, wenig besiedelt, es gibt zum Teil auf hundert Kilometer keinen Landeplatz und eine Notlandung würde fast zwangsläufig in Bäumen oder im Wasser enden. Beruhigend, einen Flugplan zu haben und damit die Sicherheit, dass sich jemand kümmert, wenn der Flug plötzlich endet. Gleiches gilt im Übrigen auch für Finnland und Norwegen.

Die Küste um Stockholm nach Norden und hinüber nach Finnland bis Helsinki ist eine Schärenküste mit tausenden von kleinen Inseln, die in der Eiszeit von den Gletschern gebildet wurden. Der nun geplante Flugabschnitt soll von Ska-Edeby südlich an Stockholm vorbei in die Schären führen, dann nach Norden und Osten nach Finnland und dort auf eine dieser Schäreninseln, nach Kumlinge (EFKG). Der Flug über diesen "Stockholmer Schärengarten" und die finnischen Schäreninseln ist bei diesem wolkenlosem Himmel ein Genuss. 

 

Vergnügt und mit fliegerisch stolz geschwellter Brust in der Ansicht, alles richtig gemacht zu haben, erfolgt die Anmeldung an die Finnen bei Marienhamn Approach. Nach der Übermittlung der üblichen Details frägt die Controllerin, ob denn der Zoll für die Landung auf Kumlinge bestellt worden wäre. Zoll? In der EU? Genau die Frage wird höflich zurückgegeben, die Antwort erscheint unlogisch, ist aber nicht zu diskutieren: richtig, in der EU keinen Zoll, wenn indes die erste Landung in Finnland auf einer Insel erfolgt, sei Zoll vorgeschrieben. Rückantwort: Nein, leider wäre eine Information des Zolls unterblieben. Controllerin: stand by. Kurz darauf: der Zoll hätte kein Interesse, Landung auf Kumlinge sei genehmigt. Auch das eifrige Lesen der AIP vor dem Flug, der landesüblichen Vorschriften-Bibel, hat diese Erfahrung nicht verhindern können. 

Kumlinge dann voraus: eine kleine Insel mit einer 500-Meter-Bahn aus rotem Asphalt, die am südlichen Ende fast ins Meer ragt. Blindmeldungen und dann landen, abrollen, parken. Eine kleine Hütte ist mit allem Notwendigen ausgestattet: Notbett, Luftraumkarte von Finnland, Erste-Hilfe-Notfallkoffer, ein schwarzes Brett mit allerlei nützlichen Informationen, Toilette. Alles blitzsauber und aufgeräumt. Es ist warm, im idyllischen Umfeld etwas abliegen, sonnen und nach ein paar Müsliriegeln und Dehnungsübungen Start nach Helsinki, der schönen Schärenküste weiter folgend.

Helsinki-Malmi (EFHF) wurde 1938 eröffnet und steht der Inbetriebnahme von Helsinki-Vantaa für die Allgemeine Luftfahrt zur Verfügung. Allerdings nicht mehr lange: er soll, so wurde glaubhaft vom Personal versichert, am Ende des Jahres geschlossen werden, weil Helsinki Platz für Wohnbauflächen benötigt. Der Anflug von der Seeseite bietet beeindruckende Blicke auf den Hafen und die Altstadt. Der Nachmittag ist der Stadt und der Flugvorbereitung für den nächsten Tag gewidmet. Das Wetter hält, was versprochen wurde: Eine Hochdrucklage über Skandinavien ist wie bestellt eingetroffen und dürfte für die geplanten Strecken bis Norwegen und zu den Fjorden einschließlich dem Rückflug nach Deutschland durchhalten. 

Mehr oder weniger geht es an der gleichen, immer noch unverändert schönen und atemberaubenden Küste am nächsten Tag wieder nach Westen, an Marienhamn vorbei, nördlich Stockholm nach Schweden hinein und zur Landung nach Västeras (ESOW). Auf der Flugplatzkarte ein beeindruckendes Stück Infrastruktur mit vier Vorfeldern, das erheblichen Verkehr in der Luft und am Boden vermuten lässt, bei der Ankunft dagegen liegt der Platz in grünen Wiesen, mit Traktoren wird das Gras gemäht und auf dem für die Allgemeine Luftfahrt reservierten Vorfeld steht eine bestens gepflegte DC-3, einige Flugschüler machen auf den Tragflächen ihrer Schulmaschinen Vorbereitungen.

Familiär geht es dann auch am nächsten Tag zu, als wegen dem Durchzug einer Front nicht an einen Weiterflug zu denken ist. Auf dem Radarbild bewegt sich die Regenzone viel zu langsam nach Osten. Die Wartezeit kann durch Fachgespräche mit den Mitgliedern des ansässigen Fliegerclubs überbrückt werden. Bei solchen Gesprächen stellt es sich immer wieder heraus, dass Ultraleichtflugzeuge offenbar unbekannte Wesen sind. Wie man damit denn von Stuttgart bis hier kommen könnte, ob ein Plastik-Flugzeug denn stabil sei? Nach der Schilderung der harten Fakten schauen die "alten Hasen" etwas ungläubig: 110 Knoten Reisegeschwindigkeit, 14.000 Fuß Gipfelhöhe, aus Carbon gebaut, über 5 Stunden endurance, vollausgestattete Instrumentierung und, wenn es nötig sein sollte, Start und Landung auf fast jeder Wiese innerhalb 200 Meter. Und last but not least: mit Rettungssystem ausgestattet, das das Fliegen in dieser Gegend noch sicherer macht. Und dann überzeugt an dieser Stelle immer auch der Hinweis, dass die Fluglager der Fachgruppe Ultraleicht des LSV Hohenasperg nur deshalb so beruhigt durchzuführen sind, weil die Maschinen bestens gewartet werden- wie übrigens alle Maschinen auch der Fachgruppen Motorflug und Segelflug. Auch im fernen Schweden soll es nicht an Werbung für den Verein fehlen. 

Endlich ist die Front durch, jedenfalls auf dem Radarbild, in natura über dem Platz hat zwar der Regen aufgehört, sonst ist noch nicht viel Besserung zu sehen. Gecheckt ist schon alles, los geht's Richtung Norwegen nach Kristiansand (ENCN).  Die Wetterlage nach dem Durchzug der Front ist äußerst reizvoll, aufgelockerte, tiefe Bewölkung und die durchbrechende Sonne geben bei klarer Sicht einen überwältigenden Blick frei auf - man ahnt es schon- die tiefgrünen Wälder und blauen Seen Südschwedens. Das Wetter wird nach Westen immer besser, noch vor Norwegen herrscht CAVOK. Die Controler der Farris-Terminal Area machen sich beim Einflug nach Norwegen gleich beliebt: Anstatt wie sonst beim Einflug in Terminal Areas häufig zum Tiefergehen aufgefordert zu werden, wird hier mal explizit gefragt, ob man denn auf 6000 Fuß steigen könne. Der erste, in Sekundenbruchteilen aufkommende Reflex, die Leistungsfähigkeit eines UL im Detail darzulegen, wird unterdrückt und statt dessen werden sofort die 6000 Fuß bestätigt. 

Die komfortable Höhe über der norwegischen Küstenlinie nach Südwesten auf Kristiansand zu lässt bei Sichten von um die 100 Kilometern die Vorfreude auf den kommenden Tag erheblich wachsen. Beim Blick nach rechts aus dem Cockpit erscheinen am Horizont die schneebedeckten Höhen der Telemark, hinter denen das Ziel der Flugträume liegt, die norwegischen Fjorde. Zunächst ist allerdings ein Anflug der Spitzenklasse auf Kristiansand zu genießen, der über die Bucht auf die zwischen den Bergen liegende Bahn führt.

 

Und dann folgt der Tag der Tage. Der Plan ist, von südlich Stavanger bis nördlich Bergen in einem Abstand von ungefähr 50 Kilometern von der Küste insbesondere über den Hardanger-Fjord nach Norden zu fliegen und dann entlang dem Sogne-Fjord nach Osten ins Gebirge. Als Zwischenstopp ist der Flugplatz Sogndal (ENSG) vorgesehen, der auf einem Plateau im Fjord liegt. Von Sogndal soll es nach Südosten über das Hochland nach Sandefjord/Torp (ENTO) wieder zurück an die norwegische Südküste gehen. 

Der Plan gelingt. Keine Wolke, weite Sicht, keine Flugbeschränkungen, wo nötig überall Freigaben. Der Fotoapparat nach rechts und links im Dauereinsatz, man kann sich nicht sattsehen. Auf der Höhe Stavanger das raue Hochland mit seiner durch die Gletscher abgerundeten Oberfläche, die in jeder Senke Gebirgsseen hat, durchbrochen von West-Ost verlaufenden Tälern und Fjorden. Dann kurz vor dem Hardanger-Fjord der Folgefonna-Gletscher, der drittgrößte Inlandsgletscher Norwegens. Dann der Hardanger-Fjord selbst, eine riesige Wasserfläche, die sich nach Osten zu in die steilen Berge einschneidet. Vor dem Sogne-Fjord wie im Flugplan angegeben der Wendepunkt in den Fjord, von der Flughöhe her auf 6000 Fuß im nicht kontrollierten Luftraum G. Zur Sicherheit trotzdem eine Meldung der Richtungsänderung und Norway Control, frägt, ob bestätigt werden könne, dass man nun "inbound the fjord" wäre. Die passen auf, ein beruhigendes Gefühl. Der Anflug auf Sogndal kann nur schlecht beschrieben werden, man muss ihn erleben. Sinken unter die Gebirgskante über dem Wasser, rechts und links gehen Fjordausläufer ab, die Bahn liegt auf halber Gebirgshöhe auf einem Plateau, alles umrahmt von schneebedeckten Höhen. 

Steigerungen sind nun nicht mehr möglich, eine Woche bei fast immer idealem Wetter, begeisternde Landschaften, sichere Flüge. Von nun an geht es nach Hause. Von Sogndal über die Hochebene nach Sandefjord, nach Tankstopp weiter nach Ängelholm (ESTA) in Schweden. Am nächsten Tag erfolgt dann nach vierstündiger Wetterpause im dänischen Maribu (EKMB) wegen nicht fliegbaren Bedingungen in Norddeutschland der Rückflug an einem Stück nach Pattonville mit pünktlicher Ankunft zum Vereinsabend. 

Text und Fotos: Hans-Jürgen Reichardt

Dieser Text erschien zuerst in DER ADLER Ausgabe 7/2016 (PDF).

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