Berge und Meer

von Eric Böhnisch-Volkmann

Viele Ausflüge werden über Monate hinweg minutiös ausgefeilt. Strecken werden ausdiskutiert, Hotels gebucht. Und dann kommt es doch anders als geplant. Bei unserem Herbstausflug mit zwei Flugzeugen Ende Oktober 2022 steht bis zwei Tage vor dem vereinbarten Abflug noch nicht einmal das erste Ziel fest, da sich die Großwetterlage über Europa erst einmal mit sich selbst einigen muss. Schließlich ist klar, dass sich weder Frankreich noch Norddeutschland anbieten und damit der Süden oder Osten auf dem Menü stehen. In einem längeren abendlichen Telefonat fassen unsere Piloten das italienische Asiago ins Auge und der nächste Tag gehört der nun konkreten Flugplanung. Abflug ist am Samstagmorgen.

Unsere zwei Crews bestehend aus je drei Personen starten bei sonnigem Wetter mit unserer vereinseigenen Cessna 182T D-ERFT und der Morane-Saulnier Rallye D-EDHQ in Pattonville. Nach einem Tankstopp plus Mittagessen in Leutkirch-Unterzeil (EDNL) geht's dann richtig los. Der Flug führt an der Zugspitze vorbei nach Innsbruck und von dort nach Bozen. Bei Trient biegen unsere Crews nach Osten ab und landen in beeindruckender Bergkulisse in Asiago (LIDA). Als Unterkunft bietet sich das flugplatzeigene Hotel an, bequemer wird's nicht, auch wenn das Verteilen der Personen auf die zur Verfügung stehenden Zimmer als logistische Leistung zu verbuchen ist (diesen Satz merken, mehr dazu später).

Und da Piloten ja bekanntlich weder Mühen noch Höhen scheuen, steigen unsere Sechs als Appetit anregenden Spaziergang noch am Nachmittag auf den 200 Meter hohen Haushügel des Örtchens, den Monte Bi. So vorbereitet schmeckt das Abendessen in einer Pizzeria im Ortskern umso besser. Lediglich der Heimweg zum Flugplatz in von keinerlei Straßenlaternen gestörten Dunkelheit hält unschöne Überraschungen bereit. Einer unserer Piloten und eine Mitfliegende stolpern und ziehen sich ansehnliche Blessuren an den Knien zu.

Beim Frühstück am nächsten Morgen ist wieder Zeit für die Flugplanung. Beziehungsweise erst einmal die Frage, wohin die Reise weiter gehen soll. Graz, Wien oder Slowenien stehen zur Auswahl. Wieder entscheidet das Wetter, zudem lockt die Aussicht auf ein herbstliches Bad im Mittelmeer. Das nächste Ziel heißt Portoroz (LJPZ).

Doch bevor es weitergeht, dürfen unsere Crews erst einmal einer kleinen Airshow beiwohnen: die italienische Luftwaffe übt mit einem raketenbesetzten Hubschrauber die Jagd auf fliehende Fahrzeuge. Das Follow-Me-Auto des Flugplatzes versucht, hin- und her über die Piste dem aus allen erdenklichen Positionen anfliegenden Angreifer zu entkommen — vergeblich, sei hier angemerkt. Für den Start unserer zwei Maschinen unterbrechen Jäger und Gejagte ihr Spiel ohne nennenswerten Protest.

Der Weiterflug führt die D-ERFT und D-EDHQ nun hinaus aus den Bergen und hinein ins norditalienische Flachland vor Venedig. Auch wenn die Flugsicherung ein Kreisen über der Lagunenstadt aufgrund der Verkehrlage nicht genehmigen mag, so reicht es doch für einen Überflug und ein Foto vom viel bevölkerten Markusplatz. Ein kurzes Leg über das Mittelmeer und beide Maschinen landen in der herbstlichen Mittagssonne im slowenischen Portoroz, welches unsere Crews mit perfekter Organisation, freundlichen Flughafen-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie erstmals dem viel zitierten und selten in der echten Welt gesehenen ]Landeschnapps aus der JET-A1-Flasche begrüßt.

Da Portoroz über einen großen Yachthafen verfügt, fällt die Wahl der ad-hoc per Booking gebuchten Unterkunft dieses Mal auf ein Hausboot mit Whirlpool. Sechs Personen und nur zwei Zimmer plus Schlafcouch im zentralen Wohnbereich (wir erinnern an den Hinweis zur Logistik weiter oben) lassen unsere kleine Gemeinschaft weiter zusammenwachsen. Die Höhepunkte des Tages beinhalten ein Bad im 20°C warmen Mittelmeer, ein ausgedehntes Abendessen in der Stadt und eine ebenso ausgedehnte Zeit im Whirlpool auf dem Dach des Hausboots.

Der dritte Tag beginnt mit frischen Brötchen sowie der unter Piloten üblichen lebhaften Diskussion über: das Wetter. Die bisher vor allem Frankreich mit Regen versorgende Front hat nun deutlich Kurs auf Deutschland genommen und würde spätestens am Folgetag auch Stuttgart erreichen. Unsere Piloten entscheiden sich dafür, den Wettergöttern keine Chance zu geben, sie doch noch im Regen durchzuschütteln. Mitentscheidend war auch das inzwischen schmerzhaft angeschwollene Knie der gestolperten Mitfliegenden, welches längere Erkundungsspaziergänge an welchem weiteren Ort auch immer kaum zugelassen hätte. Dass sie alleine im Hotel bleibt, ist selbstverständlich keine Option.

Beide Crews starten nach ausreichend Kaffeekonsum Richtung Norden, fliegen über die Salinen von Secovlje, Piran und Triest in die Alpen. Vorbei geht's an den Sextner Dolomiten und den Drei Zinnen über Südtirol und Brenner. Noch ein letztes Mal plagt unser Sextett der kleine Hunger, den die nun schon persönlich bekannte Gastronomie am Flugplatz Leutkirch-Unterzeil geschickt stillt. Am Nachmittag laden D-ERFT und D-EDHQ wieder bei uns in Pattonville.

Ein Ausflug mit Vereinskameraden muss kein Jahr zuvor geplant sein, mit vier Flugzeugen durchgeführt und Landungen auf mindestens zwölf verschiedene Flugplätze enthalten. Meistens genügt, zum Telefon zu greifen und sich gemeinsam ein Ziel auszusuchen. Nur die Wetterkarte darf man nicht aus dem Blick verlieren, wenn man weiter weg unterwegs ist, denn nur weil in Italien die Sonne scheint, heißt das noch lange nicht, dass man in Pattonville auch landen könnte. Unsere Crews freuen sich schon auf den nächsten gemeinsamen Ausflug, wo immer der sie hinführen wird.

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